„Wir sind Kirche“:
Altritueller Zweig erklärt Selbständigkeit

WIEN, 31. Oktober (eigener Draht­bericht). Recht­zeitig vor dem Hoch­fest Aller­heiligen hat heute ein Zweig der Kirchen­reform­bewegung „Wir sind Kirche“ seine Abspaltung erklärt und sich den Namen „Kirchen­volks­begehren St. Ursula von der strengen Observanz“ gegeben. Zugleich baten die Se­zes­sio­nisten die päpst­liche Kommission Ecclesia Dei um die Aufnahme von Gesprächen mit dem Ziel der beider­seitigen Versicherung der vollen Einheit der Mitglieder mit der Kirche.

Anlaß der Trennung waren die Geschehnisse des vergangenen Jahres, die eigentlichen Ursachen liegen jedoch tiefer: „Die Selbstexkommunikation der Gründerin von ‚Wir sind Kirche‘ und ihres Mannes hat uns schockiert“, sagt Paul Peters, Sprecher der neuen Reformgruppe, die Priestern wie Laien offenstehen soll. „Wir hatten gehofft, das auf der Bundesversammlung letztes Wochenende klären zu können. Aber dann die große Enttäuschung: der kleinkirchliche Flügel der Bewegung startete eine unsägliche Aktion gegen das Pontifikalamt Sr. Em. Kardinal Burkes. [Die Tiberente berichtete.] Das war so nicht mit uns abgesprochen. Da können wir nicht mehr mit.“

Zu den eigentlichen Gründen der Abspaltung gab Peters an: „Bei ‚Wir sind Kirche‘ gab es von Anfang an einen starken Richtungskampf: während wir eine großkirchliche Reform befürworten und eine stärkere Berücksichtigung wirklich aller Angehörigen der katholischen Kirche wünschen, versteifte sich der kleinkirchliche Flügel unter Führung der Eheleute Heizer auf eine Lösung, die nur die aktuell Lebenden in Betracht zieht. Dabei gehören zur Gemeinschaft der Heiligen vor allem auch die Verstorbenen, denen wir eine Stimme geben möchten. Leider waren die Kleinkirchlichen stets besser in den Medien vertreten, während unsere Wünsche kaum Beachtung fanden.“

Die Zahl derer, die der nun abgespaltene Zweig nach eigenen Angaben vertritt, ist jedoch viel größer: „Heizers und ihre Kamarilla vertreten nur etwa 1,2 Milliarden lebende Katholiken. Das ist lächerlich“, meint Peters, „wenn man es mit der Zahl des gesamten Kirchenvolkes vergleicht: die 144.000 Versiegelten, die Massa candida, die 11.000 Jungfrauen der Hl. Ursula sind davon nur ein winziger Bruchteil. Wir sind viel mehr! Wir sind die Menschen des göttlichen Wohlwollens! Wir sind eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand kann uns zählen! Wir sind die Vielen! Wir sind die 99 Prozent!“

Während die Gruppe „Wir sind Kirche“ traditionell keine Angaben darüber macht, woher sie eigentlich weiß, was das noch im Fleische wandelnde Kirchenvolk will, hat der ursulinische Zweig schon vor Jahren begonnen, die Äußerungen seiner Klientel in mehreren Schriftenreihen niederzulegen, darunter etwa der sogenannte Patrologiae Cursus Completus.

Zu den Forderungen des „Kirchenvolksbegehrens St. Ursula“ gehören dementsprechend die Vollendung der Einheit der Kirche Christi, die Sicherstellung der gültigen und würdigen Feier der Heiligen Messe, die Bekehrung der Sünder und die Verkündigung des Evangeliums vom Reich Gottes. Besonderes soziales Anliegen der Bewegung ist die Solidarität mit den armen Seelen im Fegefeuer, deren Belange ein eigener Arbeitskreis namens „Initiative Kirche von unten nach oben“ wahrnimmt. Ein wachsender Anteil der Vertretenen engagiert sich inzwischen jedoch auch stark im Bereich der Schau und Anbetung der Herrlichkeit Gottes.

Die meisten Schützlinge des Volksbegehrens haben eine gewisse Vorliebe für die Liturgie geäußert, wie sie vor der Einführung der nunmehr ordentlichen Form im Jahre 1969 war. Das mag mit daran liegen, daß der Großteil im Jahre 1969 schon nicht mehr auf dieser Welt war. Nach außen ist die Bewegung jedoch birituell.

Da keinerlei Schwierigkeiten mit der Anerkennung der gesamten Lehre der Kirche bestehen, rechnet man mit einer Einigung mit Rom noch in diesem Jahr.

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